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Hamburger Paukenschlag
Forum „Kinderrechte heute – Menschenrechte morgen“
27.Februar 2001
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Hamburger Teppichkonferenz pflegt seit 1995 das Gespräch zwischen den beiden Siegel-Initiativen Rugmark und Care & Fair einerseits und dem Teppich-Handel andererseits. „Brot für die Welt“ ist dankbar für diese Bemühungen um gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit. Damit wurde eine Grundlage geschaffen, auf der wir heute gemeinsam darüber nachdenken können, wie wir uns noch wirksamer für die Abschaffung der illegalen Kinderarbeit in der Teppichindustrie einsetzen können. Lassen Sie mich zunächst kurz auf das Erreichte zurückblicken, um von dort aus die nötigen Konsequenzen für die Zukunft aufzuzeigen.

1990 forderte der Inder Kailash Satyarthi, heute Vorsitzender der South Coalition on Child Servitude – eine langjährige Partnerorganisation von „Brot für die Welt“ – dazu auf, energische Schritte gegen die Kinderarbeit in der indischen Teppichindustrie zu unternehmen. Schließlich sei Deutschland eines der wichtigsten Importländer für indische Teppiche. Noch im selben Jahr startete „Brot für die Welt“ gemeinsam mit Misereor und terre des hommes die bundesweite „Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie“.

Von seinem Mandat her ging es „Brot für die Welt“ aber nicht nur darum, in der deutschen Öffentlichkeit und beim Orientteppichhandel ein Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen in der indischen Teppichindustrie zu schaffen. Es galt vor allem, in Übersee den Ursachen der Kinderarbeit entgegenzuwirken. So fördert „Brot für die Welt“ in unzähligen Entwicklungsprojekten Maßnahmen, mit denen die Eltern bessere Verdienstmöglichkeiten erhalten und die Kinder für die Zukunft fit gemacht werden, damit sie ihre Kinder zur Schule anstatt zur Arbeit schicken können.

In Deutschland hat die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit dazu geführt, dass das Thema „Kinderarbeit in der indischen Teppichindustrie“ in vielen Schulen und Aktionen – zum Teil sehr intensiv und kreativ – behandelt wurde. Aber auch Politikerinnen und Politiker setzten sich dankenswerter Weise immer wieder öffentlich für das „Rugmark-Siegel“ ein. Inzwischen geht die Diskussion weit über das eigentliche Thema hinaus. Auch die Produktionsbedingungen in anderen Branchen werden zunehmend hinterfragt. Sofern es um Teppiche geht, kommt diese kritische Haltung der Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings nur sehr bedingt in Kaufentscheidungen zum Ausdruck. Die hier anwesenden Vertreterinnen und Vertreter des Handels wissen das nur zu gut. Noch immer ist ein neuer Teppich eine Anschaffung, die zwar wohlüberlegt wird aber eben nicht jede Woche stattfindet, ganz im Gegensatz zu anderen fair gehandelten Produkten wie Kaffee oder Bananen. Hinzu kommt, dass die Fachgeschäfte, die „Teppiche ohne Kinderarbeit“ führen, damit nicht offensiv werben. Potentielle Kundinnen und Kunden tun sich schwer, wenn sie einen Teppich suchen, an dem keine Kinder gearbeitet haben. Insofern ist das Video zur Schulung der Verkäuferinnen und Verkäufer, das Frau Berghoff vorhin an Herrn Gerstenkorn übergeben hat, ein wichtiger Schritt zur Verkaufsförderung.

1998 initiierte Kailash Satyarthi den Global March against Child Labour und ging damit weit über das ursprüngliche Anliegen der „Teppichkampagne“ hinaus. Der weltweite Kindermarsch hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Internationale Arbeitsorganisation 1999 eine Konvention verabschiedete, welche die Chance bietet, wirksam gegen illegale Kinderarbeit vorzugehen. Mehr als ein Viertel der ILO-Mitgliedsstaaten hat die Konvention inzwischen unterzeichnet. Damit ist sie internationales Recht geworden – mit der Folge, dass auch alle Mitgliedsstaaten, die nicht unterzeichnet haben, der ILO regelmäßig über ihre Bemühungen zur Abschaffung der illegalen Kinderarbeit berichten müssen. Ohne Unterstützung aus dem Norden werden viele Länder des Südens allerdings nicht in der Lage sein, die in der Konvention geforderten Aktionsprogramme zur Abschaffung der illegalen Kinderarbeit auch wirklich umzusetzen. Hier sind nicht nur die Nicht-Regierungsorganisationen gefordert. Zusammen mit anderen Hilfswerken hat „Brot für die Welt“ angeregt, dass der Deutsche Bundestag die Ratifizierung der ILO-Konvention 182 mit dem Grundsatz verbindet, die Länder des Südens bei der Umsetzung des ILO-Abkommens finanziell zu unterstützen, d.h. den Anteil der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Programme für Grund- und Ausbildung deutlich zu erhöhen.

„Brot für die Welt“ war an der Entwicklung des Rugmark-Siegels wesentlich beteiligt. Die Tatsache, dass es auf dem deutschen Markt zwei Teppich-Siegel gibt, die beide für sich in Anspruch nehmen, die illegale Kinderarbeit in der Teppichindustrie zu bekämpfen, hat in den vergangenen Jahren nicht nur die Käuferinnen und Käufer verunsichert. Auch innerhalb des Teppichhandels haben sich die beiden Siegel gegenseitig behindert. „Brot für die Welt“ begrüßt deshalb die Bemühungen, beide Siegel zusammenzuführen. Allerdings muss dabei das eigentliche Ziel – die wirksame Bekämpfung illegaler Kinderarbeit – oberste Priorität behalten. Ich möchte Frau Eid an dieser Stelle ausdrücklich für die bisherige finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung danken. Ohne diese wertvolle Hilfe wäre es wohl kaum möglich gewesen, auf der diesjährigen domotex den zweimillionsten Rugmark-Teppich zu präsentieren. Die jetzt angestrebte Zusammenführung wird allerdings ohne eine weitere finanzielle Unterstützung – sowohl durch das Bundesministerium als auch durch den Teppichhandel – kaum zu erreichen sein, geht es doch nicht nur um die Zusammenführung zweier Siegel sondern letztendlich um die finanzielle Eigenständigkeit des dann entstandenen einen Teppichsiegels.

Nicht zuletzt hat die BSE-Krise uns allen deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, soziale und ethische Aspekte über den wirtschaftlichen nicht aus dem Auge zu verlieren. Es genügt eben nicht, möglichst viel möglichst billig zu produzieren. Es muss auch kritisch hinterfragt werden, wie die Ware produziert wurde. Politik und Handel sollten dieser Frage mehr Gewicht beimessen. Auch ethische Werte müssen einen Marktwert erhalten. Dafür in der breiten Bevölkerung ein Bewusstsein zu schaffen, das wird unsere gemeinsame Aufgabe für die nächste Zukunft sein. Ich danke Ihnen.