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HIV/Aids und Menschenrechte

Beitrag für das Jahrbuch Menschenrechte 2005

 1. Ausgangslage

a. Die Zahlen zur Erfassung der von der Pandemie HIV/Aids direkt oder indirekt betroffenen Menschen erhöhen sich schneller, als von der Statistik erfassbar und die Dunkelziffer ist hoch. Zahlen dienen darum mehr der Problemcharakterisierung als der exakten Darstellung:

Gegenwärtig leben 35-42 Mio. Menschen mit Aids, 25,5 Mio. davon in Afrika. Ca. 40 Mio. Menschen sind weltweit bisher an Aids gestorben, davon in Afrika 13 Mio. (2003 alleine 2,2 Mio.) und 12 – 13 Mio. afrikanische Kinder verloren mindestens ein Elternteil dadurch. In den Ländern des gesamten Südlichen Afrika liegt die Infektionsrate zwischen 20% und 39%. Jährlich infizieren sich weltweit ca. 5 Mio Menschen neu mit dem Virus – 58% von ihnen sind jünger als 25 Jahre. Die Infektionsrate unter Schwangeren dieser Altersklasse liegt in den Hauptstädten von 11 afrikanischen Ländern bei mehr als 10%, in 5 Hauptstädten bei mehr als 20%. Länder mit schwachen Ökonomien sind besonders anfällig für die Ausbreitung des Virus und die Pandemie schwächt diese wiederum zusätzlich.

b. Im Juni 2001 fand in New York eine UN-Sondergeneralversammlung zu HIV/Aids statt. Das Schlussdokument “Global Crisis – Global Action” betont, dass die HIV/Aids-Gefährdung nur verringert werden kann, wenn die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen beachtet werden. Zugleich hebt es die Bedeutung der Achtung der Rechte Infizierter als wirksame Maßnahme gegen die Krankheit hervor. Die Abschlusserklärung enthält die Verpflichtung, bis 2003 Gesetze und Maßnahmen zu beschließen, zu verstärken oder durchzusetzen, um jedwede Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS und von Angehörigen besonders gefährdeter Gruppen zu beseitigen und ihnen die volle Wahrnehmung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten.

Der vom UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dieser Sondergeneralversammlung vorgeschlagene globale Gesundheitsfonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose (GFATM) wurde auf dem G8-Wirtschaftsgipfel im Juli 2001 auf den Weg gebracht und steht für Beiträge von bi- und multilateralen Gebern wie von Unternehmen und Privatpersonen offen. Im System der Vereinten Nationen behandeln WHO und UNAIDS insbesondere Fragen der Prävention, der Bekämpfung und der angemessenen medizinischen Behandlung. Die Menschenrechtskommission geht insbesondere auf Diskriminierungsfragen und den Zugang zu medizinischer Versorgung (Res. 2001/33 der 57. MRK) als Teils des Rechts eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit ein (Artikel 12 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966). Zum Recht auf Gesundheit hat die 58. MRK erstmals eine Resolution verabschiedet1.

2. HIV/Aids als Folge von Menschenrechtsverletzungen

Die dramatische Ausbreitung der Pandemie ist ohne Zweifel Ergebnis vielfältiger Verletzungen der WSK-, aber auch der individuellen Menschenrechte.

 

a. Die Tatsache, dass der Virus in Gesellschaften mit schwachen Ökonomien, hoher Fehl- und Unterernährungsrate, unzureichenden Gesundheits- und Bildungssystemen auf besonders ‚fruchtbaren’ Boden fällt und dass die Menschen dort aufgrund ihrer schwachen Konstitution besonders anfällig für den Virus sind, ist unbestritten. Die vielfache Verletzung der im ‚Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte’ niedergelegten Rechte auf Ernährung, auf Bildung, auf körperliche und geistige Gesundheit setzen die Bevölkerung in armen Ländern dem Infektionsrisiko in erhöhtem Maße aus: 95% aller Infizierten leben in Entwicklungsländern. Die Allokation von Finanzen zur Bekämpfung von Aids darf darum nie auf Kosten des Kampfes gegen Armut gehen – auch wenn dies eine Tendenz unter Geberländern ist.

 

b. Die Verletzung individueller Rechte trifft besonders auf Personengruppen zu, deren Rechte in der Regel aufgrund ihrer untergeordneten oder anderswie verletzlichen Situation ohnehin bedroht sind.

Allen voran sind hier die Frauen zu nennen.2 Der United Nations Fund for Women (UNIFEM) kam in einer Stellungnahme von 2001 zu dem Ergebnis, dass die HIV/Aids-Epidemie ohne die Diskriminierung und Unterordnung von Frauen niemals dermaßen verheerende Ausmaße hätte annehmen können. In den Ländern des südlichen und östlichen Afrikas ist die Infektionsrate unter Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren 7 mal höher als bei Jungen. Ihre geringe soziale Stellung und ökonomische wie rechtliche Abhängigkeit in vielen Gesellschaften bedeutet in der Regel, dass sie sich unsicherem Sex nicht verweigern können und vielfach sexueller Gewalt ausgeliefert sind. Frauen sind darüber hinaus durch kulturelle Praktiken (wie z.B. Genitalverstümmelung) dem Infektionsrisiko mit Aids in besonderer Weise ausgeliefert. Ferner verfügen sie in der Regel aufgrund ihrer geringeren Chancen auf Bildung über schlechtere Zugänge zu angemessenen und akkuraten Informationen über die Übertragungswege. Auch verweigern vielen Familien aufgrund ihrer vermeintlichen ‚Minderwertigkeit’ Frauen den Zugang zu Behandlung und Pflege häufiger. Die kontinuierliche und systematische Verletzung der in der ‚Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau’ von 1979 verbrieften (isbes. Art. 1, 3, 10, 12 und 14) Rechte von Frauen war und ist wesentlicher Grund für die Verbreitung dieser Krankheit. Prävention und Kampf gegen die weitere Ausbreitung müssen deshalb genau hier ansetzen.

 

c. Aber auch die Verletzung der Rechte auf körperliche Unversehrtheit von Kindern, Migrant/innen und Flüchtlingen, ebenso wie von Gefangenen, die im Gefängnis sexueller Gewalt ausgeliefert sind, tragen zur Übertragung bei. Dies gilt ebenso für die durchgängige Diskriminierung von Drogenabhängigen, Homosexuellen und Prostituierten in allen Gesellschaften, die ihnen den Zugang zu Informationen, Tests und zu Behandlung verweigern. Fixer werden durch aggressive Diskriminierung bis hin zu Gewalt zudem von Angeboten sauberer Nadeln und Drogensubstitution abgehalten, oder solche zur Prävention äußerst hilfreichen Dienste werden ihnen erst gar nicht zugestanden. Besonders stigmatisierte und marginalisierte Personengruppen sind nicht nur besonders anfällig für HIV/Aids. Ihre Diskriminierung trägt auch umgekehrt dazu bei, dass HIV/Aids Infizierte stigmatisiert werden, weil diese Personengruppen ohnehin abgelehnt werden.

 

3. Menschenrechtsverletzungen als Folge von HIV/Aids

 

a. Ebnen Menschenrechtsverletzungen der Pandemie vielfach die Bahn, so gilt auch umgekehrt, dass die Krankheit für weitere Menschenrechtsverletzungen den Boden bereitet. Dies trifft auch in diesem Fall besonders auf die WSK-Rechte zu. Speziell für Afrika gilt: Ganze Berufszweige sind von der Auslöschung bedroht und damit ist die Weiterexistenz der politischen und sozialen Infrastruktur mancher Länder und ihre Nahrungsmittelproduktion nachhaltig gefährdet: Mit den Mitarbeitenden in der Verwaltung, im Bildungs- und Gesundheitssektor, in Entwicklungsprojekten und den Arbeitskräften in der Landwirtschaft sterben auch die Chancen Überlebender auf entsprechende Dienstleistungen und auf die Früchte von Entwicklungsfortschritten ihrer Gesellschaften. Die Ernährungssicherheit vieler afrikanischer Länder nimmt drastisch ab, jede ‚normale’ Dürre kann in besonders von HIV/Aids betroffenen zur Hungerkatastrophe führen.

 

b. Die Ausgrenzung und Diskriminierung Infizierter und ihrer Angehörigen sowie der angemessene Zugang zu medizinischer Versorgung stellen sicherlich die grundlegendsten menschenrechtlichen Probleme im Zusammenhang der Pandemie dar:

Es ist oft beschrieben worden, welche Folgen die dramatische Stigmatisierung hat: Ausschluss aus der Erbfolge, aus dem Familien- und Dorfverband, aus der Schule, aus jedwedem regulären Arbeitsverhältnis und gesamten gesellschaftlichen Leben bis zum Ausschluss aus christlichen Gemeinden und hin zur Verweigerung angemessener Behandlung, Pflege und Beerdigung. Sie setzt faktisch die Menschenrechte Infizierter außer Kraft. Diese bilden darum im Sprachgebrauch der UN-Menschenrechtskommission eine „besondere Gruppe“, die besonderen Schutzes und besonderer Aufmerksamkeit bedarf.

 

Die ungeheure Diskriminierung im Umfeld der Krankheit führt dazu, dass Menschen sich nicht testen lassen oder ihren Status verschweigen und darum die Übertragung nicht durch safer-sex-Praktiken oder Vorkehrungsmaßnahmen im Gesundheitswesen verhindern – und so dazu beitragen, die Krankheit weiter auszubreiten. Sie führt auch dazu, dass Kirchenführer, Politiker/innen, Lehrer/innen und sonstige Autoritätspersonen sich aus Angst vor Vertrauensverlust in der Bevölkerung nicht hinreichend trauen, von der Krankheit und ihren Übertragungsweisen zu sprechen und so zur lebensrettenden Aufklärung und damit dem Schutz der Menschenrechte beizutragen.

 

c. Besonders negativen Einfluss hat die Pandemie aber auch auf das Lebensrecht (Art.6 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes von 19989) und die Entwicklungschancen von Angehörigen Erkrankter und hier besonders von Kindern: Politischer Unwille oder mangelnde Ressourcen führen dazu, dass in einigen Ländern – entgegen Art. 24 der Kinderkonvention – nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Mutter-Kind-Übertragung zu verhindern. Dies kostet vermutlich nahezu 50% der Neugeborenen von infizierten Müttern das Leben, die bei entsprechender Medikamentierung und sonstigen Vorkehrungsmaßnahmen gerettet werden könnten. Die Angst vor Diskriminierung bei Bekanntwerden der Infektion selbst in der eigenen Familie erhöht das Infektionsrisiko von Kindern.

Die Rechte nicht-infizierter Kinder in Afrika werden nachhaltig dadurch beeinträchtigt, dass die Altersgruppe ihrer Eltern die Hauptrisikoaltersgruppe für Infektionen stellt. Entsprechend viele müssen als Halbwaise oder Waise aufwachsen und sind – weil auch sie von der Dorf- und/ oder Familiegemeinschaft ausgeschlossen werden – meist ganz und gar auf sich allein gestellt. Ihrer Erbschaft und ihrer Ernährer beraubt, sind die meisten gezwungen, die Schule abzubrechen und oft unter extremen Verhältnissen für minimalen Lohn zu arbeiten. Sie können an keinerlei Gesundheitsprogrammen und sonstigen sozialen Dienstleistungsangeboten teilnehmen, sich nicht ausreichend ernähren, sind schutzlos jeder Form der Gewalt und des Missbrauchs durch Erwachsene ausgesetzt. Aids-Waisen sind nahezu alle ihrer in der ‚UN Konvention über die Rechte des Kindes von 1989’ festgeschriebenen Rechte beraubt.

 

4. Respekt der Menschenrechte im Umgang mit HIV/Aids

Die Herausforderungen für alle Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich der Bewahrung und dem Schutz der Menschenrechte verschrieben haben, liegen damit auf der Hand. Die Zielkonflikte und Dilemmata (wie z.B. von J.M.Vorster beschrieben3) sind weniger bekannt:

 

a. Einerseits muss aus menschenrechtlicher Sicht anerkannt werden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und mithin auch Geheimhaltung des eignen Status angesichts der immer noch gravierenden Diskriminierung und Verfolgung von Infizierten ein unabdingbares Menschenrecht ist. Darüber hinaus ist es eine wichtige Voraussetzung für freiwillige Tests und damit für eine mögliche Eindämmung der Krankheit. Andererseits kann – aufgrund der sehr hohen Ansteckungsgefahr bei ungeschütztem Verkehr – möglicherweise gerade dies einer gravierenden Verletzung des Menschenrechts nichtinfizierter Partner auf Information, auf Gesundheit und auf Leben Vorschub leisten. Ähnliches gilt von HIV/Aids-kranken Schwangeren, deren Neugeborene eine deutlich höhere Lebenschance hätten, wenn dem medizinischen Personal der Status der Mutter bekannt wäre. Den Schwangeren steht aber das Recht auf Verweigerung eines Tests zu. In beiden Fällen ist es die Stigmatisierung der HIV-Kranken und nachfolgend deren grobe Diskriminierung, die das Dilemma provoziert, denn es darf wohl davon ausgegangen werden, dass ohne die Angst vor dem umfassenden gesellschaftlichen Ausschluss Virenträger aus eigenem Antrieb jeden Wert auf den Schutz ihrer Partner und ihrer Kinder legen würden.

 

Der Schlüssel zur Lösung dieser Dilemmata liegt in einem entschiedenen Kampf gegen Stigmatisierung und Diskriminierung. Ein Kampf, der – wie 2001 von der UN-Sonderversammlung anerkannt – auf breiter Front geführt werden muss:

- Er muss der ungeteilten Anerkennung der Würde und Menschenrechte der o.g. Personengruppen gelten, die aufgrund ihrer inferioren Stellung und Marginalisierung besonders anfällig für die Übertragung, und der Krankheit besonders ohnmächtig ausgeliefert sind. Ein Ende der Diskriminierung, bzw. Marginalisierung dieser Bevölkerungsgruppen wäre ein entscheidender Beitrag nicht nur zur Bekämpfung der Ausbreitung der Pandemie, sondern auch dazu, den unsinnigen und unproduktiven Interessenskonflikt zwischen den Rechten Infizierter und den Rechten der ihnen nahe Stehenden oder nahe Kommenden aufzuheben.

Freilich erfordert dies vielfach nicht weniger als einen fundamentalen Kulturumbruch (z.B. bezüglich der Stellung und Rechte der Frauen oder der gesellschaftlichen Anerkennung von Homosexualität), der langjähriges Engagement von Menschenrechtsorganisationen und anderen Gruppen der Zivilgesellschaft erfordert. Die o.g. UN-Sonderversammlung zum Thema HIV/Aids und Menschenrechte im Jahr 2001 hat eindrucksvoll demonstriert, wie weit dieser Weg weltweit ist, als eine Gruppe von Staaten (aus dem Nahen Osten, aber auch die USA) die ausdrückliche Erwähnung von Homosexuellen, Prostituierten und Drogenabhängigen als besonders gefährdete und darum zu unterstützende Personengruppen vereitelt haben.

 

- Ferner muss durch Aufklärung und Enttabuisierung ein Kampf gegen die Diskriminierung Infizierter geführt werden, der sie vom Makel der Schuld und Sünde befreit und ihnen den Weg zurück in die Gemeinschaft bahnt. Mit Blick auf die moralische Bewertung haben wertebildende und –vermittelnde Institutionen wie Religionsgemeinschaften, Schulen, Medien eine besondere Verantwortung. ‚Brot für die Welt’ investiert deswegen z.B. viel Aufmerksamkeit, Anstrengungen und Finanzen in einen Wertewandel unter afrikanischen Kirchenführern. Die von den Missionaren überbrachte Sexualethik hat viel zur Doppelmoral und zur Verdammung der Infizierten als ‚Sünder’ beigetragen. Die Kirchen müssen nun auch im Blick auf Aids-Kranke zu Vorkämpfern der Menschenwürde und Menschenrechte werden, was sie vielerorts im Blick auf die politischen Menschenrechte (z.B. unter der Apartheid oder in Diktaturen) schon waren oder gegenwärtig noch sind.

 

b. Die Mittelknappheit fügt den Interessenskonflikten im Zusammenhang mit der Pandemie weitere hinzu: Viele arme Regierungen sehen sich angesichts zu geringer Ressourcen vor die Alternative Prävention zur Verhinderung weiterer Erkrankungen oder Behandlung der Infizierten gestellt. Manche stellen darüber hinaus Berechnungen an, um wie viel teurer humanitäre Hilfe wird und wie viel Menschen darum weniger in deren Genuss kommen können, wenn zur allgemeinen Akutversorgung die noch höheren Nahrungsrationen und Medikamente für Aids-Kranke kommen – die in großen Flüchtlingskrisen u.U. die Hälfte der Betroffenen stellen. Ähnliches gilt für die Vergabe von Stipendien: Bildung für wenige Kranke, deren medizinische Betreuung hohe Kosten verursacht oder für viele Gesunde? Diese Fragen klingen zynisch, stellen aber für Politiker und verantwortlichen zivilgesellschaftlichen Akteure armer Länder echte Gewissensfragen dar. Für manche Regierungspolitiker freilich auch nur billige Ausreden, mit denen sie legitimieren, warum sie die ihnen von der UN-Menschenrechtskommission und dem Gemeinsamen UN-Programm zu HIV/Aids in 1998 in einer entsprechenden Guideline zugeschriebenen Rolle als Staat bei der Bekämpfung und Behandlung von HIV/Aids4 nicht wahrnehmen. Südafrikas langjährige Leugnung des Rechtes auf Behandlung ist ein Beispiel dafür. Ihr Verbot, das Medikament Nevirapine zur Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung einzusetzen, konnte die Regierung nie wirklich ökonomisch begründen und das Recht auf Behandlung musste durch alle Instanzen hindurch vom Brot-für-die-Welt-Partner ‚Treatment Action Campaign’ juristisch erfochten werden.5

Die Ressourcenfrage bleibt dennoch zentral für die Durchsetzung des Rechtes auf Behandlung, die der Aufforderung zum Test aus der Sicht der Betroffenen erst einen positiven Sinn verleiht. Im WSK-Pakt von 1966 werden die Staaten lediglich verpflichtet, Schritte im Rahmen ihrer verfügbaren Ressourcen zu ergreifen, um das im Art.12 festgeschriebene Recht einer jeden Person auf den höchsten verfügbaren Standard von Gesundheit schrittweise graduell zu gewährleisten. Der finanzielle Spielraum von Entwicklungsnationen ist indes nachweislich sehr begrenzt. Freilich verpflichtet der WSK- Pakt nicht nur einzelne Staaten zum Tätigwerden, was man als Verpflichtung zur Erstellung mindestens eines nationalen HIV/Aids Präventions- und Behandlungsplanes mit zeitlich klar fixierten Umsetzungsfristen interpretieren und einklagen sollte. Vielmehr – und dies wird von Vielen als zentrale Aufgabe im Menschenrechtskampf im Kontext von HIV/Aids gesehen – wird ergänzend auch die internationale Gemeinschaft als Ganze in die Pflicht genommen, die notwendige finanzielle Hilfe zu leisten. Diese Verpflichtung bedürfte zu ihrer Umsetzung eines globalen Finanzierungs- und Aktions-Plans zur Bekämpfung von HIV/Aids. Dieser müsste u.a. ausreichend Finanzen für die pharmazeutische Forschung zur Entwicklung effektiverer Medikamente und eines Impfstoffes zur Verfügung und den globalen Zugang zu den grundlegenden Medikamenten oder – falls einmal vorhanden – Impfstoffen und flächendeckende Test- und Beratungsprogramme sicherstellen.6

Der 2001 gegründete Globale Fond (GFATM) sollte diesem Zweck dienen, gilt indes als stark unterfinanziert. Weder die Regierungen der traditionellen Gebernationen, noch der private Sektor haben bisher die in sie gesetzten Erwartungen auf Finanzierung dieses Instrumentes der Private-Public-Partnership erfüllt: Pharmaunternehmen neigen eher zur Preisreduktion – speziell wenn sie damit gerichtliche Auseinandersetzungen über die Preisgestaltung antiretroviraler Medikamente verhindern oder Diskussionen im Rahmen der WTO über die Lockerung des Patentrechtes und die Herstellung und dem Import von Generika herunterkühlen können. Oder sie finanzieren spezielle Anti-Aids-Programme im Umfeld ihrer Produktionsstätten in besonders betroffenen Regionen. Beides hat wenig mit der Durchsetzung der Rechte Infizierter auf Behandlung zu tun. Regierungen andererseits spielen seit langem mehr mit Zahlen als die notwendigen umfangreichen Zahlungen an den Globalen Fond zu veranlassen. Dieses geringe Interesse an der – finanziell vergleichsweise leicht erreichbaren – Durchsetzung der Menschenrechte incl. des Rechts auf Leben für Millionen Menschen im Süden (und zunehmend Osten) steht in erschütterndem Kontrast zu den Ausgaben im Kontext des Antiterrorkampfes nach dem 11. September. Was die Frage nach der Anerkennung der universellen Gültigkeit der Menschenrechte bei manchen Regierungen des Westens aufwirft.

 

2 Siehe hierzu u.a.: WHO Fact Sheet No.247, June 2000 ‘Human Rights, women and HIV/Aids.

3 J.M.Vorster, HIV/Aids and Human Rights, in: Ecumenical Review, No.???, Vol.???? ….2003, S.345-361

4 United Nations, HIV/Aids and Human Rights: International Guidelines, Geneva, UN, 1998

5 Das südafrikanische Verfassungsgericht hat im Juli 2002 letztinstanzlich der Klage von TAC gegen die Regierung wegen Verletzung des Rechtes auf Leben recht gegeben und diese zur Zulassung des Mittels in allen Krankenhäusern und zur Aufstellung eines nationalen Behandlungsplanes gezwungen.

6 siehe hierzu auch: Kenneth Roth, Human Rights and the Aids Crisis: The Debate over Resources, delivered on July 11,2000, at the plenary session of the XIII International Aids Conference, Durban/RSA